Stellen Sie sich vor, Sie renovieren Ihr Eigenheim, ohne vorher dessen bauliche Substanz zu prüfen. Oder Sie verändern die Raumaufteilung, ohne zu wissen, wo in den Wänden und Böden Leitungen und Kabel verlaufen. Doch genau so gehen viele Unternehmen an die Unternehmenstransformation heran – mit ernüchternden Ergebnissen.
Eine neue Studie von SAP – in Zusammenarbeit mit Oxford Economics – offenbart eine bittere Realität: Gerade einmal die Hälfte der Unternehmenstransformationen (51 %) verläuft nach Plan, und nur 57 % liefern einen Nutzen, der ihre Investition rechtfertigt. Während 73 % der Führungskräfte der Fähigkeit ihrer Teams zur Bewältigung von Transformationsrisiken vertrauen, verzichtet mehr als die Hälfte (52 %) auf eine anfängliche Risikobewertung und ist damit anfällig für vermeidbare Überraschungen und Rückschläge. Und 43 % versäumen es, die Risiken während der Transformation im Auge zu behalten. Nennen wir diese Lücke zwischen Anspruch und Umsetzung das „Vertrauensdilemma“.
Um diese Lücke zu schließen, sollten wir uns drei kritische Risiken anschauen, die eine Transformationsinitiative zum Erfolg führen oder scheitern lassen können.
1. Organisatorisches Risiko
Das größte Risiko bei der Unternehmenstransformation ist oft der Faktor Mensch. Dabei hängt der Erfolg davon ab, wie gut die Menschen auf allen Ebenen Veränderungen begreifen, mittragen und annehmen. Untersuchungen zeigen, dass 63 % der Unternehmenstransformationen an der obersten Führungsebene scheitern – also genau an den Personen, die Veränderungen vorantreiben sollten. Grund dafür ist die Unklarheit über den Nutzen der Transformation.
Eine eher abwehrende Haltung kann sich durch das gesamte Unternehmen ziehen. 61 % der Unternehmen beklagen, dass es ihnen schwerfällt, ihre Belegschaft für die neuen Arbeitsweisen zu gewinnen. Es gibt auch ein Kommunikationsparadoxon: Während drei von fünf Unternehmen angeben, dass ihre Transformationspläne der breiteren Belegschaft gut vermittelt wurden, sagen nur 53 %, dass diese Pläne von vornherein klar definiert waren.
2. Prozess-, Technologie- und Datenrisiko
Auffallend ist, dass 40 % nicht über die Agilität verfügen, Systeme zu implementieren, die ihre Transformationsbemühungen verbessern könnten. Dieses Fähigkeitsdefizit zeigt sich in der begrenzten Nutzung wichtiger Transformationstools: Weniger als die Hälfte ist bei der Implementierung von Tools für das Änderungsmanagement (49 %), Benchmarking-Tools (42 %) oder Process-Mining-Software (36 %) bisher über die Anfangsphase hinausgekommen. Fehlen diese Fähigkeiten, riskieren die Unternehmen, laufende Prozesse zu beeinträchtigen, den Überblick über kritische Systeme zu verlieren oder – schlimmer noch – gravierende Ausfälle von Services zu verursachen. Diese technische Dimension zu vernachlässigen bedeutet im Grunde, die Transformation quasi im Blindflug durchzuführen.
Auch die Datendimension muss berücksichtigt werden: Sieben von zehn Befragten empfinden es als „sehr“ oder „unüberwindbar“ schwierig, festzustellen, ob die für die Transformation benötigten Daten verlässlich sind. Dies ist meist auf unzureichende Rahmenbedingungen für die Daten-Governance und fehlende Transparenz bei der Erfassung, Verwaltung und Nutzung von Daten im gesamten Unternehmen zurückzuführen. Nur 52 % geben an, dass die Unternehmensführung gegenüber den Beschäftigten in Bezug auf Daten und Entscheidungen im Zusammenhang mit der Unternehmenstransformation transparent agiert.
3. Risiko bei der Projektumsetzung
Die Umsetzung offenbart das ultimative Paradoxon: Obwohl 67 % der Führungskräfte die Risikobewertung für entscheidend halten, überwachen nur 57 % das Risiko während des gesamten Prozesses. Und 69 % nutzen KPIs für das Risikomanagement eher wenig oder schlecht bzw. verfolgen sie gar nicht. Der Projektumfang nimmt zu, Prioritäten kollidieren und Initiativen laufen aus dem Ruder. Das Ergebnis: 58 % der Transformationen überschreiten ihr Budget und fast die Hälfte bleibt unvollendet – womit Umsatz, Kundenzufriedenheit und Marktchancen gefährdet sind.
Vier praktische Ansätze zur Minderung der Risiken bei Unternehmenstransformationen
Wir haben beobachtet, wie organisatorische, technische und projektbezogene Risiken Transformationen zum Scheitern bringen können. Um dies zu vermeiden, bedarf es eines ganzheitlichen Ansatzes, der die Transparenz über Personen, Prozesse, Anwendungen und Daten hinweg erhöht. Und so sorgen Sie für diese Transparenz:
1. Menschen – Widerstand überwinden und in Erfolg ummünzen
Beginnen Sie mit dem, was wichtig ist: klare Ziele, die die tägliche Arbeit in eine strategische Vision einbetten. Entwickeln Sie Strukturen für Entscheidungsprozesse, die menschliche Erkenntnisse mit verlässlichen Daten kombinieren. Schaffen Sie Kanäle für Zusammenarbeit und Kommunikation, die Probleme frühzeitig aufdecken und für Transparenz hinsichtlich der Fortschritte sorgen. Binden Sie die Einführungs- und Schulungsphase frühzeitig in Ihre Pläne ein. Denken Sie daran: Fehlende Abstimmung, Reibungsverluste und Unsicherheit während der Einführungsphase bremsen die Transformation nicht nur aus, sondern können sie völlig zum Scheitern bringen. Beziehen Sie den Faktor Mensch als einen strategischen Bestandteil in Ihre Initiative ein, statt ihn zu einem Nebenaspekt zu degradieren.
2. Prozesse – die tatsächlichen Arbeitsabläufe verstehen
Erfassen Sie zunächst, was bereits vorhanden ist – einschließlich inoffizieller Workarounds. Ermitteln Sie dann, wo diese Prozesse ineinandergreifen, und decken Sie so kritische Abhängigkeiten in Ihrem Unternehmen auf. Nutzen Sie diese Transparenz, um Prozesse zu identifizieren, die keine Unterbrechungen dulden, und testen Sie Änderungen durch Simulationen, bevor sie den laufenden Betrieb beeinträchtigen. Schaffen Sie einen Governance-Rahmen, der Fortschritt ermöglicht und nicht blockiert – mit präzisen Kennzahlen, die Prozessänderungen mit strategischen Zielen und Wertschöpfung verknüpfen. Automatisieren Sie die Leistungsüberwachung mit klaren Auslösern für Überprüfung, Intervention und Eskalation.
3. Anwendungen – Ihre Technologielandschaft abbilden
Beginnen Sie mit einem vollständigen Überblick über Ihre aktuelle Technologielandschaft – was Sie haben (einschließlich Schatten-IT), wie alles miteinander verbunden ist und wie es sich auf Ihr Unternehmen auswirkt. Dank dieser unternehmensweiten Transparenz lassen sich Redundanzen, Integrationspunkte und technische Defizite aufdecken. Planen Sie die Einführung von Technologien strategisch und achten Sie darauf, dass jede Ergänzung Ihre Architektur stärkt, anstatt sie unnötig zu verkomplizieren. Führen Sie die Implementierungen in Phasen durch, um die Geschäftskontinuität zu wahren, während Sie Ihr Fundament modernisieren.
4. Daten – das Wesentliche überwachen
Mehr Daten bedeuten nicht unbedingt zuverlässigere Erkenntnisse. Die Datenerfassung ist zwar wichtig, aber nur dann wertvoll, wenn Sie diese Daten auch sinnvoll nutzen können. Schaffen Sie Rahmenbedingungen, die operative Daten direkt mit den Geschäftsergebnissen verknüpfen, um sowohl den Fortschritt der Transformation als auch den tatsächlich erbrachten Wert zu verfolgen. Daten werden nicht als passive Ressource, sondern als aktives Kapital behandelt und können dazu beitragen, das Risikomanagement von einer defensiven Haltung in einen proaktiven Motor der Unternehmenstransformation zu verwandeln.
Risikomanagement: Transparenz in Tempo umwandeln
Risikomanagement ist kein Bremsklotz für die Transformation, sondern ein Beschleuniger. Wenn sich Unternehmen einen klaren Überblick über ihr Ökosystem – Menschen, Prozesse, Anwendungen und Daten – verschaffen, gewinnen sie auch die Souveränität für ein zielgerichtetes Vorgehen. In der heutigen, sich schnell verändernden Geschäftswelt hilft ihnen dieser strategische Umgang mit Risiken, sowohl Lähmung als auch übertriebene Eile zu vermeiden. Wer dies versteht, vollzieht die Transformation nicht nur sicherer, sondern auch erfolgreicher als seine Konkurrenten, die entweder zu lange zögern oder blindlings vorpreschen.
Unternehmenstransformation: vom Risiko zur Chance
Lassen Sie Ihre Unternehmenstransformation nicht zu einem weiteren Zahlenspiel in einer Statistik werden. Laden Sie unseren Leitfaden „The confidence conundrum: navigating risk in business transformation“ (Das Vertrauensdilemma: Risikomanagement bei der Unternehmenstransformation) herunter, um mehr über die folgenden Themen zu erfahren:
- Die Kluft zwischen den Zielen der Transformation und deren Umsetzung
- Praktische Ansätze zur Identifizierung und Bewältigung von Transformationsrisiken
- Unverzichtbare Fähigkeiten zur Risikominimierung bei der Unternehmenstransformation